Einblicke
Die große Verzerrung
|
Global Equity Observer
|
• |
Januar 15, 2025
|
Januar 15, 2025
|
Die große Verzerrung |
„Events, dear boy, events“... so antwortete der ehemalige britische Premierminister Harold MacMillan, als ihn ein junger Journalist fragte, was Politiker am meisten fürchteten.
Wir befinden uns in einem dynamischen und unvorhersehbaren Umfeld. Die Konflikte zwischen Ost und West dauern an, der Nahe Osten ist nach wie vor ein Pulverfass und im Krieg zwischen Russland und der Ukraine dürfte ein weiterer harter Winter bevorstehen, da die Spannungen eskalieren. Der ehemalige Präsident Donald Trump wird unterdessen ins Weiße Haus zurückkehren und kann sich auf eine gestärkte republikanische Partei mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat stützen. Alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf die möglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser neuen Regierung.
Die Märkte quittierten Trumps Wahlsieg prompt mit einer „Risk-on-Rally“ in den USA und einer Aufwertung des US-Dollars, da mit einer Deregulierung, einer Senkung der Unternehmenssteuern und einer „America First“-Agenda gerechnet wurde. Zwar könnten sich durch die Agenda Trumps durchaus Positivfaktoren für die US-Märkte ergeben, jedoch sind auch viele Negativfaktoren denkbar, nicht zuletzt die Inflationsrisiken, die mit vielen seiner Pläne einhergehen. Beispielsweise könnten die Zölle die Verbraucherpreise und die Kosten für die Unternehmen in die Höhe treiben, während Massenabschiebungen eventuell steigende Arbeitskosten in den USA zur Folge hätten. Sollte es zu einem inflationären Umfeld kommen, müsste die US-Notenbank vielleicht ihren aktuellen Kurs ändern und die Zinsen längerfristig auf hohem Niveau halten, was möglicherweise das Wirtschaftswachstum einschränkt und schwächere Bilanzen unter Druck setzt. Steuersenkungen könnten die Gewinne der Unternehmen darüber hinaus zulasten eines größeren Staatsdefizits steigern und somit die Bedenken hinsichtlich der langfristigen fiskalischen Tragfähigkeit der USA verstärken. Wie die neue Politik und ihre Folgen auch aussehen werden, den Märkten steht eine größere Unsicherheit bevor. Diese Unsicherheit scheint sich indes nicht in den Preisen niederzuschlagen, auch nicht im VIX Index, der die erwartete Volatilität des S&P 500 Index misst und derzeit unter 15 Zählern notiert.i
Die große Verzerrung
Ungewöhnliche Entwicklungen beschränken sich aber derzeit nicht nur auf die Politik. Wie wir bereits erläutert haben, bewegen sich die Anleger in einem zunehmend engeren Marktumfeld. Der MSCI World Index wurde entwickelt, um auf globaler Ebene repräsentativ zu sein. Er umfasst Large- und Mid-Cap-Aktien aus 23 Industrieländern. Aufgrund seiner Gewichtung nach Marktkapitalisierung kam es jedoch zu einer zunehmenden Verzerrung, sodass die USA durch die dominierende Stellung der US-Technologieriesen (die „"Magnificent Seven"“) inzwischen 70% des Gesamtindex ausmachen.ii
Die Verzerrung im Index wirkt sich auf die Bewertungen aus. Die zehn größten Unternehmen im Index, die 25% der Marktkapitalisierung des MSCI World beisteuern und nahezu alle aus dem Technologiesektor oder angrenzenden Bereichen stammen, notieren im Durchschnitt zum 34-Fachen der Gewinne der nächsten zwölf Monateiii. Vergleicht man dies mit dem breiteren MSCI World Index, der fast zu einem historischen Höchststand des 19-Fachen der Gewinne der nächsten zwölf Monate gehandelt wird, mit dem gleichgewichteten Index, der zum 15-Fachen notiert, und dem Segment ohne die USA, das nur zum 14-Fachen notiert, wird offensichtlich, worauf es ankommt: Größe und Region.iv Die Bewertungslücke zwischen dem MSCI USA Index und dem MSCI World ex-U.S. Index hat den höchsten Stand in diesem Jahrhundert erreicht. Die USA werden mit einem Aufschlag von mehr als 50% gegenüber dem Rest der Welt gehandelt.v
Index-Hugger aufgepasst
Für Manager, die sich nahe am Index halten, kann ein Tracking-Error-orientierter Ansatz, der auf Aktualitätsverzerrung basiert, auf absoluter Ebene wesentlich riskanter sein, als man vermuten würde. Nach unserer Erfahrung machen sich die Märkte über hohe Bewertungskennzahlen in der Regel keine Gedanken, solange das starke Gewinnwachstum anhält. Jeder Rückschlag bei den Gewinnen kann jedoch zum Problem werden, insbesondere bei einem verzerrten Index, der offenbar eine perfekte Gewinnentwicklung einpreist.
Wie wir in unserem Global Equity Observer („Unabhängiges Denken“) vom Juni erklärten, waren wir schon immer vorsichtig, was den Index betrifft. Er macht zwar einen diversifizierten Eindruck, kann die Anleger allerdings zu einer konzentrierten Gruppe der aktuellen Gewinner lenken, also dorthin, wo sich das Pendel bereits befindet, und nicht in die Richtung, in die es möglicherweise schwingen könnte. Der Index ignoriert Qualität und Bewertungen und priorisiert Größe gegenüber Überzeugungsgrad. Mit dem Index besitzt man alles wahllos – ein Ansatz, der nicht unserem langfristigen absoluten Anlageansatz entspricht.
Die Anlagethese für aktive Manager
Als aktive Manager konnten wir in unseren Portfolios von den jüngsten Markverzerrungen profitieren. Dies hat zu mehreren neuen Käufen geführt – allesamt zu attraktiven Bewertungen. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis dieser Unternehmen steht im Einklang mit dem des breiteren Markts. Dennoch übertreffen sie im Hinblick auf die Rendite auf das Betriebskapital und die Bruttomarge (unsere wichtigsten Qualitätsmerkmale) den Marktdurchschnitt um mehr als das Doppelte. Zu den Beispielen zählen der führende Autoteileverkäufer in den USA, der einen außergewöhnlichen Rekord bei der Kapitalallokation aufweist, und die führende US-Terminbörse mit enorm hohen Einstiegsbarrieren aufgrund ihrer Netzwerkeffekte.vi Angesichts der erhöhten Bewertungen in diesem Jahr und aufgrund einer genauen Prüfung der Fundamentaldaten der Unternehmen stiegen wir aus bestimmten Positionen aus, da wir der Ansicht waren, dass entweder die Kennzahl oder die Qualität des Unternehmens einen Besitz nicht länger rechtfertigte.
Unser benchmarkunabhängiger Ansatz beruht auf einer gründlichen Fundamentalanalyse. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert hochwertiger Investitionen haben wir alles erlebt: von Rezessionen und Kriegen bis hin zu Schuldenkrisen, Pandemien, Inflation und Deflation und inzwischen fünf US-Präsidenten. Während dieser 28 Jahre konzentrierten wir uns auf unsere disziplinierte Anlagephilosophie, die unerbittliche Jagd nach Qualität, ohne dafür einen zu hohen Kaufpreis zu zahlen. In diesen ungewöhnlichen Zeiten liegt unser Schwerpunkt weiterhin darauf, was für eine starke langfristige Performance ausschlaggebend ist: die Kapitalvermehrung von erstklassigen Unternehmen.
![]() |
Managing Director
International Equity Team
|