Einblicke
Superkräfte im Einsatz?
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Global Equity Observer
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Oktober 31, 2022
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Oktober 31, 2022
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Superkräfte im Einsatz? |
Das Jahr 2022 nähert sich seinem Ende und der MSCI World Index ist um mehr als 25 Prozent gefallen. Die russische Annexion von vier ukrainischen Provinzen und die Währungs- und Anleihekrise in Großbritannien waren hierbei sicherlich nicht hilfreich. Interessanterweise war der Rückgang in diesem Jahr einer Herabstufung der Bewertungen anstatt einem Rückgang der prognostizierten Gewinne zuzuschreiben, welche in diesem Jahr primär durch Gewinne im Energiesektor um 3 Prozent zulegten.
Die vom Markt erwarteten Gewinne haben im letzten Quartal leicht nachgegeben (-2 Prozent). Hierbei handelt es sich jedoch um eine Zahl in US-Dollar,1 welche sich daher mit der anhaltenden Stärke der Währung erklären lässt. Dadurch werden nämlich die Gewinne aus schwächeren Währungen geschmälert. Die Margen liegen weiterhin nahe an ihren Rekordhochs zu Jahresbeginn.
Bei den Konsens-Gewinnen wird eindeutig nicht mit einer erheblichen Abkühlung gerechnet, und schon gar nicht mit einer ernsthaften Rezession. Die Prognosen gehen von einem Gewinnanstieg für das nächste Jahr trotz der Belastung durch den Dollar von über 5 Prozent aus. Nur Grundstoffen steht aufgrund der jüngst sinkenden Metallpreise eine Gewinnreduktion bevor. Die Gewinne des klassisch zyklischen Industriesektors sollen den breiten Markt im nächsten Jahr voraussichtlich mit 8 Prozent überflügeln, während bei Nicht-Basiskonsumgütern mit einem zweitstelligen Wachstum gerechnet wird.2
Der Rückgang des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) deutet zwar auf eine größere Skepsis in Bezug auf zukünftige Aussichten hin als die Gewinnschätzungen es tun: Das Forward-KGV des MSCI World Index sank von 19 zu Jahresbeginn auf unter 14 Ende September. Das neue Niveau liegt jedoch nur 3 Prozent unter dem Durchschnitt von 2003-19, während das KGV von rund 20 während 2020/21 ein Ausreißer zu sein scheint. Die defensiven Sektoren haben sich überdurchschnittlich entwickelt. Basiskonsumgüter, das Gesundheitswesen und Versorger sind in diesem Jahr um „nur“ 14 bis 17 Prozent gefallen. Die Sektoren mit der schlechtesten Performance – Informationstechnologie, Kommunikationsdienste und Nicht-Basiskonsumgüter brachen allesamt um über 30 Prozent ein – waren zu Jahresbeginn am teuersten statt am zyklischsten, da die KGVs von wachstumsorientierten Titeln am meisten zurückgegangen sind.3
In diesem Umfeld haben sich unsere globalen Portfolios stärker an der Abwärtsentwicklung beteiligt als in der Vergangenheit und bewegten sich in etwa im Gleichschritt mit dem Markt. Tatsächlich war die Korrektur kaum weniger ausgeprägt als der Markt. Die Ausrichtung auf defensive Sektoren milderte die Herabstufung ab, aber das Engagement des Portfolios in teureren Industriegruppen – Software & Dienstleistungen im IT-Sektor und Biowissenschaften & Ausstattung im Gesundheitswesen – glich dies größtenteils aus. Die prognostizierten Gewinne der Strategien entwickelten sich in diesem Jahr größtenteils seitwärts, da die Stärke des Dollars die kontinuierliche Kapitalvermehrung der Aktien wettmachte. Die Entwicklung der Gewinne blieb leicht hinter dem Markt zurück. Eine technische Erklärung dieser Divergenz ist das fehlende Engagement im Energiesektor, der für den Gewinnanstieg des Marktes hauptverantwortlich war. Auf fundamentaler Ebene aber waren die beiden „Superkräfte“ des Portfolios, Preismacht und wiederkehrende Umsätze, angesichts einer hohen Inflation und eines Nachfrageüberhangs nicht hilfreich. Man könnte gar argumentieren, dass wiederkehrende Umsätze im aktuellen Umfeld sogar eine Belastung darstellen.
Wir schätzen Preismacht (die Fähigkeit, Kosten an die Verbraucher weiterzugeben) und wiederkehrende Umsätze (durch Wiederholungskäufe, entweder durch langfristige Verträge oder aus Gewohnheit der Verbraucher), was durch Marken gestützt wird. Die Kombination beider „Superkräfte“ bedeutet, dass Margen und Umsätze bei einem Abschwung geschützt sind, was wiederum die Gewinne stützt. Preismacht scheint derzeit jedoch im Angesicht der Lieferengpässe und fehlendem Personal nichts besonderes zu sein. Diese haben zur Inflation, „Shrinkflation“ und der gefürchteten „Skimpflation“ (ein Nachlassen der Qualität von Dienstleistungen bei gleichbleibendem Preis) geführt, sodass eine fundamentale Preismacht über den gesamten Konjunkturzyklus derzeit keinen Wettbewerbsvorteil darstellt. Noch schlechter sieht die Lage für wiederkehrende Umsätze aus. Langfristige Verträge halten Anbieter davon ab, hohe Spotpreise auszunutzen und können auch kurzfristige Probleme bei der Weitergabe von inflationären Kostenanstiegen verursachen, zumindest bis die Verträge auslaufen und ihre Preismacht es den Unternehmen erlaubt, wieder aufzuholen.
Wir sehen Preismacht und wiederkehrende Umsätze immer noch als wichtige Merkmale und grundlegend für die Kapitalvermehrung, d. h. die Steigerung von Gewinnen in guten sowie schlechten Zeiten. Das ist wichtig, weil wir befürchten, dass die derzeit guten Bedingungen für Unternehmen in den kommenden Quartalen ins Gegenteil umschlagen können. Eine Abkühlung oder Rezession stellt eine Gefahr für die rekordhohen Margen der Unternehmen dar, da der aktuelle Nachfrageüberhang in ein Überangebot umkippen könnte. Wir machen uns weniger Sorgen um die Anfälligkeit der Gewinne des Portfolios, da die beiden „Superkräfte“ erneut einen Verlustschutz bieten sollten, wie bereits während der Pandemie der Fall gewesen ist. Die Vergangenheit deutet darauf hin, dass sinkende Gewinne am Markt mit einer Outperformance und robusten Gewinnen des Portfolios einhergehen.4
2Quelle: FactSet, MSIM
3Quelle: FactSet
4Quelle: FactSet, MSIM
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Managing Director
International Equity Team
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