Einblicke
Wie findet man Rohdiamanten? Auf der Suche nach Qualität im Finanzsektor
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Global Equity Observer
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Oktober 06, 2023
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Oktober 06, 2023
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Wie findet man Rohdiamanten? Auf der Suche nach Qualität im Finanzsektor |
Für viele Marktteilnehmer mag es wie ein Widerspruch erscheinen, ein qualitätsorientierter Investor im Finanzsektor zu sein. Der Finanzsektor ist ein Value-Sektor, mögen sie argumentieren - typischerweise günstig bewertet, und oft nicht sehr aufregend. Das stimmt zwar für einige Teile des Sektors, jedoch glauben wir, dass es durchaus vereinzelte hochwertige Unternehmen im Finanzsektor gibt und dass wir diese für unsere Kunden ausfindig machen können. Es ist dennoch ein rigoroser Prozess erforderlich, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Ein guter Ausgangspunkt ist, sich die Frage zu stellen, warum Finanztitel im Allgemeinen als weniger qualitativ gelten. Ein wichtiger Aspekt ist ihre Abhängigkeit von makroökonomischen Faktoren wie zum Beispiel von Zinsen und von den Aussichten für die Aktien- und Unternehmensanleihenmärkte. Das bedeutet, dass sie ihr operatives Schicksal oft nicht in eigenen Händen halten – eine Bank ist hierfür ein ideales Beispiel. Ziehen Sie einmal die jüngsten Gewinnsteigerungen im Bankensektor in Betracht: Bei vielen Banken waren diese durch höhere Zinsen bedingt, ein Faktor, der sich schwer vorhersagen lässt und von der Unternehmensführung nicht beeinflusst werden kann. Außerdem sind viele Finanzunternehmen sehr zyklisch, oft bedingt durch makroökonomische Faktoren wie der Konjunktur oder der Gesundheit der Anlagemärkte, was sich auf das verwaltete Vermögen auswirkt. Wir müssen nicht bis zur globalen Finanzkrise zurückblicken, um Beispiele hierfür zu finden: Anfang 2023 löste der Kollaps einiger kleiner und mittlerer US-Regionalbanken angesichts steigender Zinsen die größte Bankenpleite seit 2008-09 aus. All diese Faktoren führen zu relativ undurchsichtigen Geschäftsmodellen mit zahlreichen externen Katalysatoren, sowohl auf makroökonomischer als auch fundamentaler Ebene, die sich auf den Aktienkurs auswirken können.
Die Fähigkeit, nachhaltig hohe Rendite auf das Betriebskapital erzielen zu können, ist eines der wichtigsten Merkmale der Qualitätsdefinition unseres Teams. Bei den Finanztiteln im Allgemeinen wirkt sich jedoch die Bilanzlastigkeit vieler Geschäftsmodelle negativ auf die Rendite aus, so dass sie nur schwer unsere Qualitätskriterien erfüllen können. Qualitätsunternehmen, wie wir sie seit mehr als 20 Jahren definieren, weisen (unter anderem) nachhaltig hohe Renditen auf nicht verschuldetes Betriebskapital, robuste Bilanzen und die Fähigkeit, ihr Wachstum hauptsächlich aus dem bestehenden Cashflow zu finanzieren auf. Alles Kriterien, die auf Banken in der Regel nicht zutreffen. Eine Bank erwirtschaftet eher eine unverschuldete Gesamtkapitalrendite von weniger als 1% , und dies bei einem Verschuldungsgrad von in der Regel mehr als dem 10-fachen. Die Bilanzanforderungen werden natürlich von den Aufsichtsbehörden festgelegt. Veränderungen lassen sich kaum vorhersagen, da das Eingreifen der Behörden, und damit die Folgen für die Bilanzen und Gewinne, oft völlig unerwartet ist. Daher halten wir in unseren reinen Qualitätsportfolios niemals Banken.
Banken erfüllen zwar nicht unsere Qualitätskriterien, jedoch glauben wir, dass es vereinzelte erstklassige Unternehmen anderswo im Finanzsektor gibt, die hervorragende Kandidaten für unsere Portfolios sind. Gut geführte Unternehmen mit starken immateriellen Vermögenswerten in bilanzschwachen Teilsektoren wie Börsen, Nischen in der Versicherungsbranche und Zahlungsunternehmen können die Kombination aus hohen Renditen, moderater Zyklizität und wiederkehrenden Erträgen bieten, nach der wir bei Qualitätsunternehmen Ausschau halten.
Die Tatsache, dass es verhältnismäßig wenige geeignete Portfolio-Kandidaten im Finanzsektor gibt, stellt für ein erfahrenes Team, das Portfolios mit hohem Überzeugungsgrad verwaltet, bei welchen Indexgewichtungen keine Anlageentscheidungen bestimmen, keine allzu große Hürde dar. Außerdem kommt es regelmäßig zu einer Abkopplung von Aktienkursen und dem Wert der zugrunde liegenden Unternehmen, was attraktive Chancen für ‚Stock Picker’ mit Bottom-up-Ansatz bieten kann. Zugegebenermaßen ist zur Identifikation dieser Chancen Aufwand und Expertise erforderlich: Ein Abschlag bei der Bewertung kann nämlich sowohl eine Gelegenheit als auch eine Notlage signalisieren. Dank unseres Expertenteams, das für Finanzen zuständig ist – darunter Anton Kryachok und ich selbst neben Bruno Paulson, Alex Gabriele und Richard Perrott, die den Sektor abdecken – konnten wir vielversprechende Anlagen für unsere Kunden identifizieren.
Einige konkrete Beispiele von relativ neuen Zugängen in unseren Portfolios verdeutlichen unseren Auswahlprozess in diesem Bereich vielleicht besser als eine rein theoretische Beschreibung.
Ein Versicherungsmakler aus den USA
Im Finanzsektor sind Versicherungsmakler für uns ein fruchtbarer Boden. Hierbei handelt es sich um eine weniger kapitalintensive Branche mit hoher Konzentration an großen Unternehmen, die attraktive Chancen für Konsolidierungen von kleineren Maklern im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bietet. Die Makler helfen ihren Kunden dabei, Versicherungen zu einem guten Preis zu kaufen und zu strukturieren, und beraten in Bereichen wie Risikomanagement, aufsichtsrechtliche Anforderungen und Kapitalmanagement. Wir sehen Versicherungsmakler als diversifizierte Anbieter von professionellen Dienstleistungen mit gutem Ausblick für das Umsatzwachstum. Dieses wird von strukturellen Katalysatoren für höhere Versicherungsprämien, wie Klimawandel, Cybersicherheit und eine wachsende Zahl von Gerichtsurteilen gestützt. Wir bevorzugen dieses Unternehmen gegenüber seinen Mitbewerbern aus folgenden Gründen: Erstens hat es eine einheitliche Betriebsplattform eingeführt, die eine erhebliche Erweiterung seiner EBITDA-{ut}Marge (von unter 20% im Jahr 2013 auf nahezu 32% im Jahr 2022) ermöglichte{ut} und die Barrieren zwischen isolierten Unterabteilungen beseitigte, was das Kundenangebot verbesserte. Zweitens verfügt das Unternehmen unserer Meinung nach über ein starkes Managementteam, das in der Vergangenheit eine effiziente Kapitalallokation zum Nutzen der Aktionäre vorgenommen hat. Im Grunde handelt es sich bei dem Unternehmen um ein minimal kapitalintensives Unternehmen mit strukturell hohen (und wachsenden) Renditen, unwesentlicher Verschuldung und einer aktionärsfreundlichen Geschäftsleitung. Es erfüllt also die Kriterien für unsere Qualitätsportfolios vollkommen. Genauso wichtig ist, dass das Unternehmen zum Kaufzeitpunkt deutlich unter seinem intrinsischen Wert gehandelt wurde.
Zwei führende Börsen
Ein weiteres gutes Beispiel sind zwei Börsen, eine aus den USA und die andere aus Europa. Ihre hohen Renditen auf das bescheidene Betriebskapital, wiederkehrende Erträge und moderate Zyklizität neben einer attraktiven Bewertung haben es uns erlaubt, Positionen in ausgewählten globalen Portfolios aufzubauen. Diversifizierte Umsatzströme und hohe Eintrittsbarrieren dank einer Kombination aus Netzwerkeffekten, Marken und Software sorgen gemeinsam mit einer soliden Geschäftsleitung dafür, dass diese beiden Titel gegenüber ihren Mitbewerbern herausstechen.
Einen Zahlungsanbieter aus den USA
Hohe Eintrittsbarrieren und starke immaterielle Vermögenswerte schützen die Rentabilität und den Wachstumsausblick der Börsen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir uns für einen US-amerikanischen Zahlungsanbieter entschieden haben, der in ausgewählten globalen Portfolios vertreten ist. Dieser führende Anbieter von E-Wallet-Lösungen bietet eine ständig wachsende Nutzerbasis und eine zunehmende Akzeptanz unter Händlern, was für einen positiven Flywheel-Effekt sorgt, da sein größeres Netzwerk und zusätzliche Funktionalität das Unternehmen für Verbraucher und Händler attraktiver machen. Zahlungsunternehmen sind für uns kein neues Gebiet; wir halten seit 2010 einen führenden globalen Anbieter, der in unseren globalen Portfolios zu den Top-Ten-Positionen zählt.
Während wir in der Regel den größten Anteil von erstklassigen Kapitalvermehrern in den Sektoren Basiskonsumgütern, Informationstechnologie und Gesundheit identifizieren, ermöglicht es uns unser Bottom-up-Ansatz, Qualitätsnischen in anderen Sektoren zu identifizieren. Der Finanzsektor ist dafür ein gutes Beispiel. Zudem hat die Gewichtung von Finanzwerten in unserem Gesamtportfolio im Laufe der Zeit zugenommen. Das jüngste Update des MSCI Global Industry Classification Standard führte Anfang des Jahres dazu, dass einige Titel von Zahlungsanbietern aus dem IT-Sektor in den Finanzsektor verschoben wurden, was wiederum ebenfalls dazu beigetragen hat. Aber was vielleicht noch wichtiger ist, ist die Tatsache, dass die tiefgehende Investmentexpertise unseres Portfoliomanagement-Teams es uns ermöglicht hat, in den Worten von Peter Lynch, mehr Steine umzudrehen und den einen oder anderen Rohdiamanten zu finden, den wir in unsere Portfolios aufnehmen können.
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Executive Director
International Equity Team
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