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Die Märkte sinken, die Gewinne jedoch (noch) nicht
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Global Equity Observer
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Juli 26, 2022
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Juli 26, 2022
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Die Märkte sinken, die Gewinne jedoch (noch) nicht |
Die Aktienmärkte verzeichneten eine sehr schlechte erste Jahreshälfte. Der MSCI World Index ist in US-Dollar um über 20 % gesunken und verbuchte damit den schlechtesten Jahresstart seit über 50 Jahren. Kurioserweise ist der Rückgang auf eine Herabstufung der Bewertungen zurückzuführen, da die Gewinne bislang weiter stabil sind. Die Gewinneinschätzungen für 2022 und 2023 sind leicht gestiegen. Das bedeutet, dass die 12-monatigen Gewinnerwartungen in diesem Jahr um 5 % höher liegen, da sie von der zunehmenden Gewichtung der höheren Schätzung für 2023 im weiteren Jahresverlauf profitieren.
Die Herabstufung ist etwas weniger skurril, wenn man die extreme Bewertungskennzahl zu Jahresbeginn berücksichtigt. Die Gewinnerwartungen lagen mit einem Multiple von 19,3x 36 % über dem Durchschnitt von 2003 bis 2019 (die 17 Jahre zwischen dem Platzen der Tech-Blase und der Pandemie). Während dieses Zeitraums erreichte die Kennzahl nicht einmal 17x. Durch die Herabstufungen ist die Kennzahl auf 14,6x gesunken und liegt damit um nur 3 % über dem Durchschnitt von 2003 bis 2019. Dadurch sinkt das Kennzahlrisiko deutlich und wir wenden unsere Aufmerksamkeit den Gewinnaussichten zu.
Leider gibt es viele Gründe, warum man sich über die Gewinne Sorgen machen sollte, auch wenn die Inflation zumindest auf nominaler Basis zum Umsatzwachstum beiträgt. Die kurzfristig größte Bedrohung ist die Aussicht auf eine Konjunkturabschwächung oder Rezession. Die Zentralbanken bemühen sich, die Inflation in den Griff zu bekommen, indem sie die Nachfrage durch höhere Zinsen dämpfen. Sie hoffen, ihre Zinserhöhungen so zu kalibrieren, dass eine „weiche Landung“ erreicht wird. Die wirtschaftlichen Prognosen stützen diese Hoffnung: Die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) prognostiziert für 2023 ein Wachstum von 1 bis 2 % für die USA und den Euroraum, eine sinkende Inflation und eine nur leicht steigende Arbeitslosigkeit. Das Problem dabei ist, dass die Geldpolitik analog zum Versuch gesehen werden kann, einen Stein durch das Ziehen eines Gummibandes zu bewegen – erst tut sich nichts, doch dann knallt den Zentralbanken und damit der Wirtschaft insgesamt der Ziegel ins Gesicht. Klar ist, dass die aktuellen Gewinnzahlen kein Anzeichen einer Abkühlung zeigen, da die Schätzungen nach wie vor robust sind.
Das Risiko für die Gewinne wird durch das aktuelle Rekordniveau der Margen noch erhöht. Die Forward-EBIT-Marge des MSCI World Index1 ist in diesem Jahr weiter auf 16,7 % gestiegen (zum Vergleich: der Durchschnitt von 2003 bis 2019 lag bei 13,3 % und der Höchststand bei 15,2 %). Es scheint, dass die überschüssige Nachfrage es Unternehmen ermöglicht, mehr als nur ihre gestiegenen Inputkosten weiterzugeben. Sei es durch Inflation (Preiserhöhung), „Shrinkflation“ (Reduktion der Produktgröße) oder „Skimpflation“ (Qualität der angebotenen Dienstleistungen sinkt).
Ein Ende der Engpässe oder schlimmer, ein überschüssiges Angebot, könnte ein Ende dieser Phase der allgemeinen Preismacht bedeuten. Darunter leiden kommerzielle Unternehmen, während sich solche mit echter Preismacht besser behaupten können. Auf längere Sicht könnten die Gewinne weiter unter Druck gesetzt werden. Ob durch steigende Zinsen, eine Entwicklung hin zu robusteren Lieferketten, eine Kostenübernahme von Seiten der Unternehmen für negative Externalitäten, die sie verursachen, oder möglicherweise sogar durch höhere Unternehmenssteuern, da Regierungen ihren Finanzhaushalt ausbessern wollen.
Die globale Finanzkrise im Jahr 2008/09 ist hierfür ein interessanter Präzendenzfall. Der Markt erreichte im Oktober 2007 seinen Höhepunkt. Die erste Phase des Markteinbruchs war ein Rückgang um 15 % in den folgenden acht Monaten bis zum Sommer 2008. Während es am Markt zu einer Herabstufung kam, stiegen die Gewinnerwartungen – eine klare Parallele zum Jahr 2022 bis jetzt. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2008 gaben die Gewinne deutlich nach und die Kennzahlen erodierten weiter. Anfang 2009, also acht Monate später, kam es zum Tiefstand am Markt.
Die weitere Entwicklung für 2022/23 wird jedoch keine Wiederholung von 2008/09 sein. Dennoch sind die Marktgewinne eindeutig gefährdet, bedingt durch das derzeit erhöhte Niveau und die wahrscheinliche wirtschaftlich bevorstehende Abkühlung. Unser Schwerpunkt auf Kapitalvermehrer mit wiederkehrenden Umsätzen und Preismacht sollte bedeuten, dass die Gewinne des Portfolios robuster sein werden als der Markt, wie es 2008/09 und zuletzt in der ersten Jahreshälfte 2020 während der Covid-19-Krise der Fall war. Da die Gewinne aufgrund der beträchtlichen Herabstufung, die bereits eingetreten ist, zukünftig ein großes Risiko darstellen, würde es sich anbieten, dieses Risiko durch das Halten von Kapitalvermehrern zu reduzieren.
Risikohinweise
Es besteht keine Garantie, dass ein Portfolio sein Anlageziel erreichen wird. Portfolios sind Marktrisiken ausgesetzt, d. h. es besteht die Möglichkeit, dass der Marktwert der Wertpapiere im Portfolio zurückgeht. Marktwerte können sich aufgrund wirtschaftlicher und anderer Ereignisse (z. B. Naturkatastrophen, Gesundheitskrisen, Terrorismus, Konflikte und soziale Unruhen), die Märkte, Länder, Unternehmen oder Regierungen betreffen, täglich ändern. Der Zeitpunkt, die Dauer und mögliche negative Auswirkungen (z. B. Portfolio-Liquidität) von Ereignissen lassen sich nur schwer vorhersehen. Anleger können deshalb durch die Anlage in dieser Strategie Verluste verzeichnen. Anleger sollten beachten, dass diese Strategie bestimmten zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein kann. Veränderungen der globalen Konjunktur, der Verbraucherausgaben, des Wettbewerbs, der demografischen Entwicklung, der Verbraucherpräferenzen, der gesetzlichen Regelungen und der Wirtschaftsbedingungen können sich auf globale Franchise-Unternehmen negativ auswirken und die Strategie stärker belasten als bei einer Investition der Strategie in eine größere Vielfalt von Unternehmen. Die Aktienkurse reagieren im Allgemeinen auch auf unternehmensspezifische Aktivitäten. Anlagen in ausländischen Märkten sind mit besonderen Risiken verbunden. Dazu zählen politische und wirtschaftliche Risiken sowie Währungs- und Marktrisiken. Die Aktien von Small- und Mid-Cap-Unternehmen weisen besondere Risiken wie begrenzte Produktlinien, Märkte und Finanzressourcen auf. Darüber hinaus sind sie einer stärkeren Marktvolatilität ausgesetzt als die Wertpapiere größerer, etablierter Unternehmen. Die Risiken einer Anlage in Schwellenländern übersteigen jene Risiken, die mit Investitionen in ausländischen Industrieländern einhergehen. Finanzderivate können Verluste unverhältnismäßig stark steigern und erhebliche Auswirkungen auf die Performance haben. Sie unterliegen möglicherweise auch Kontrahenten-, Liquiditäts-, Bewertungs-, Korrelations- und Marktrisiken. Illiquide Wertpapiere sind möglicherweise schwieriger zu verkaufen und zu bewerten als börsengehandelte Titel (Liquiditätsrisiko). Nicht diversifizierte Portfolios investieren oft in eine kleinere Zahl von Emittenten. Aus diesem Grund können Veränderungen der finanziellen Situation und des Marktwerts einzelner Emittenten zu einer höheren Volatilität führen. ESG-Strategien, die Impact-Investing- und/oder ESG-Faktoren berücksichtigen, können dazu führen, dass die relative Anlageperformance von anderen Strategien oder breiten Marktbenchmarks abweicht. Dies hängt davon ab, ob der Markt solche Sektoren oder Anlagen aktuell bevorzugt. Daher ist nicht gewährleistet, dass ESG-Strategien zu einer günstigeren Anlageperformance führen werden.
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Managing Director
International Equity Team
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