Einblicke
Wenn Geld nicht frei verfügbar ist
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Global Equity Observer
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Dezember 23, 2022
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Dezember 23, 2022
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Wenn Geld nicht frei verfügbar ist |
Höhere Zinsen erschweren das Wachstum von verschuldeten Unternehmen. Daher glauben wir an die Wertsteigerung von Unternehmen, die über ein organisches Wachstum verfügen. Erfahren Sie, warum unsere Unternehmen besser aufgestellt sind, um ihre Wettbewerbspositionen mithilfe ihrer robusten Bilanzen zu stärken, die Nachhaltigkeit ihrer Rendite auf das eingesetzte operative Kapital (ROOCE) zu steigern und für ein stetiges, absehbares Wachstum zu sorgen.
Wissenschaftlern zu Folge, dauert es zwischen zwei Monaten und einem Jahr, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Deshalb kann man davon ausgehen, dass Geschäftsleitungen und Aktieninvestoren sich durch die letzten zwanzig, von fallenden Zinsen geprägten Jahren daran gewöhnt haben, Fremdkapital einfach und zu relativ niedrigen Kosten aufnehmen zu können.
Tatsächlich sind die globalen Unternehmensschulden in den letzten zehn Jahren bis Ende 2021 von 53 Billion auf nahezu 88 Billion US-Dollar gewachsen, was 98,5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entspricht1. Sicherlich haben es einige dieser Mittel den Unternehmen ermöglicht, produktive und expansive Kapitalausgaben zu finanzieren oder in langfristige Infrastrukturprojekte zu investieren. Frei verfügbares und billiges Fremdkapital kann jedoch auch schädlich sein. Beispielsweise könnte es die Geschäftsleitung dazu verleiten, Gewinne mittels Bilanzverschuldung "in die Höhe zu treiben, Akquisitionen durchzuführen, um auf Basis eines höheren Gewinnwachstums pro Aktie (eine Kennzahl, von der wir überhaupt nichts halten) vergütet zu werden oder unter der Annahme zu investieren, dass Kapital „frei verfügbar“ ist, solange eine Wachstumsstory ersichtlich ist.
Unser Anlageprozess fokussiert sich auf Unternehmen, die ohne Fremdkapitaleinsatz hohe und nachhaltige Renditen auf das eingesetzte operative Kapital (ROOCE) generieren. Wir reagieren generell misstrauisch auf Unternehmen, die sich allzu sehr auf Fremdkapital stützen. Für langfristig orientierte Aktienanleger wie wir, stellt die Fremdfinanzierung ein asymmetrisches Risiko dar. Bei einem großzügigen Kreditangebot muss sich die Geschäftsleitung keine Sorgen über die Rückzahlungsfrist einer Anleihe machen – für sie ist das einfach eine Refinanzierungsübung. Wenn aber exogene Schocks dieses Kreditangebot beschränken, ist Bargeld wieder am vorteilhaftesten. In einem Worst-Case-Szenario kann eine jahrelange Kapitalvermehrung der Erträge durch fällig werdende Schulden vernichtet werden und der Eigenkapitalwert auf null sinken. Unserer Meinung nach ist das Risiko für die wenigen Prozentpunkte an zusätzlichen Renditen, die sich durch den Einsatz von Fremdkapital erreichen lassen, zu hoch. Wie es der großartige Warren Buffett einst elegant formulierte: "Ein russisches Roulette (meistens gewinnt man, gelegentlich stirbt man) kann sich finanziell für jemanden lohnen, der von Aufwärtsbewegungen eines Unternehmens profitiert und nicht an dessen Rückschlag beteiligt ist." Wir beschäftigen uns viel mit der Reduktion der Abwärtsbeteiligung.
Während sich die Welt an höhere globale Zinsen gewöhnt, glauben wir daran, dass sich die Stärke der Bilanz zum Differenzierungsfaktor der Gewinne und des Geschäfts unserer Unternehmen entwickeln wird. Die direkte Auswirkung ist einfach: ein niedrigerer Schuldenstand heute, stellt eine geringere Belastung für die Gewinne dar, wenn die Schulden zu höheren Raten refinanziert werden. Wir sind aber auch der Meinung, dass unsere Unternehmen besser positioniert sind, um ihre robusten Bilanzen für die Verbesserung ihrer langfristigen Aussichten zu verwenden. Wie unser Kollege Marcus Watson in einer früheren Ausgabe von Global Equity Observer, Scale and Diversification, argumentierte: Investitionen in schwierigen Zeiten sollten letztlich Wettbewerbspositionen festigen, die Nachhaltigkeit des ROOCE steigern und für das stetiges, absehbares Wachstum sorgen, an dem wir interessiert sind.
Einige unserer Unternehmen befinden sich in der beneidenswerten Lage, in der ihnen ihre Kunden innerhalb des alltäglichen Geschäftsverlaufs regelmäßig hohe Mittel „leihen“ und auf diese keine Renditen verlangen. Dieser "Puffer" ergibt sich normalerweise durch Transaktionsbilanzen, die vielleicht eine sehr kurze vertragliche Dauer aufweisen, aber insgesamt sehr gefestigt sind. Diese Unternehmen verzeichnen häufig steigende Gewinne, da die Mittel ihrer Kunden zu höheren "risikofreien "Zinsen investiert werden.
Beispielsweise profitiert der große Softwareanbieter für Lohnabrechnungen aus den USA, den wir halten, von einer Lücke von wenigen Tagen zwischen der Überweisung der Mittel seiner Kunden und der Gehaltszahlung an deren Mitarbeitende. Insgesamt verfügte das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr über Kundenmittel von durchschnittlich 32,5 Milliarden US-Dollar. Die Verzinsung von 1,4 % auf diese Mittel sollte bei steigenden kurzfristigen US-Zinsen noch weiter wachsen.2
Hier ein anderes Beispiel: eine europäische Börse, die wir in einigen unserer globalen Portfolios halten und die eines der weltweit größten Abwicklungs- und Treuhandzentren für internationale festverzinsliche Wertpapiere hält, fordert von ihren Kunden Barbeträge zur Vorfinanzierung der Abwicklung von Anleihetransaktionen. Die Barbestände betragen rund 18 Milliarden Euro (ca. 50 % in US-Dollar) und das Nettozinseinkommen von diesen Einlagen hat sich im dritten Quartal um das mehr als Fünffache gegenüber dem Vorjahr gesteigert.3 Dies entspricht etwa 7 % der Nettoumsätze des Unternehmens, was nahezu zu 100 % zum Endergebnis durchdringen dürfte.
In anderen Fällen besteht kein geschäftlicher Grund, warum Kunden einem Unternehmen liquide Mittel zur Verfügung stellen sollten. Dennoch tun dies einige Kunden aus Gründen der Bequemlichkeit. Beispielsweise halten wir den größten E-Wallet-Anbieter der westlichen Welt, der auf seiner Plattform normalerweise mehr als 30 Milliarden US-Dollar in Kundenkonten hält4, die vor allem für die Finanzierung zukünftiger Käufe genutzt werden. Obwohl diese Mittel jederzeit zurückgezogen werden können, erhält das Unternehmen (solange seine E-Wallet-Lösungen einen bequemen Weg für seine Kunden zur Tätigkeit von Online-Käufen darstellen) Zinserträge, indem es die Kundenmittel in relativ sichere festverzinsliche Instrumente, wie US-Staatsanleihen, investiert.
Wenn sich die höheren Zinsen in der Wirtschaft bemerkbar machen, werden jene Verhaltensweisen, die durch billiges Fremdkapital ermöglicht wurden, vermutlich verschwinden. Der Übermut am globalen Immobilienmarkt wird wahrscheinlich verschwinden, da die Verbraucher mit höheren Hypothekenkosten konfrontiert werden. Höchstwahrscheinlich werden wir außerdem weniger Werbung für glanzvolle neue Lebensmittellieferanten sehen, da Investoren die Opportunitätskosten, die für die Disruption eines neuen Markts erforderlich sind, abwägen werden. Da es immer schwieriger wird, Wachstum durch Fremdkapitalfinanzierungen zu erreichen, glauben wir an die Wertsteigerung von Unternehmen, die über ein organisches Wachstum verfügen. Wie wir bereits argumentierten: in guten Zeiten ist die Fähigkeit, robuste Gewinne zu erzielen weniger relevant. Doch wenn sich die Zeiten verschlechtern, zahlt sich die Kombination aus wiederkehrenden Erträgen (Blick auf den Umsatz) und Preismacht (Blick auf die Margen) definitiv aus.
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Executive Director
International Equity Team
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