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Die Bewertungen brechen ein. Sind die Gewinne als nächstes dran?
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Global Equity Observer
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Jänner 26, 2023
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Jänner 26, 2023
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Die Bewertungen brechen ein. Sind die Gewinne als nächstes dran? |
Zu Beginn des Jahres 2022 hatten wir nur zwei Sorgen hinsichtlich des Aktienmarktes, jedoch waren diese schwerwiegende: die Bewertungskennzahlen und die Gewinne. Die Gewinnschätzungen in 2022 blieben erstaunlich robust, so wurden für den MSCI World Steigerungen von 4 % erwartet. Der Rückgang des Index um 18 % war ausschließlich der deutlichen Abwertung an den öffentlichen Märkten geschuldet. Der MSCI World forward earnings Faktor fiel von 19,3 auf 15,0 – im Gegensatz zu den Privatmärkten, die den Anlegern Schutz gegen die Volatilität boten, da die Preise dort nicht gesenkt wurden.
Die Abwertung konzentrierte sich insbesondere auf die teureren und "wachstumsorientierteren" Unternehmen der Sektoren Kommunikationsdienstleistungen, Nicht-Basiskonsumgüter und Informationstechnologien, die alle um über 30 % einbrachen. Die Kombination aus robusten Gewinnen und sektorspezifischen Abwertungen kennzeichnete 2022 als ein sehr ungewöhnliches Jahr. Da Qualität keinen Schutz vor Abschwüngen mehr bot, wie zuvor in den Jahren 2008, 2011, 2015 und 2018, fiel der MSCI World Quality Index im Gesamtjahr um 22 % und lag damit 400 Basispunkte hinter dem breiteren Index.
Zu Beginn des Jahres 2023 reduzierten sich unsere zwei Sorgen des Vorjahres auf anderthalb. Der Rückgang des MSCI World Faktors auf 15 (sodass der Index nun anstelle des Aufschlages von 36 % zum Jahresanfang nur noch 5 % über dem Durchschnitt von 2003-2019 liegt) deutet darauf hin, dass der Markt nicht mehr deutlich überbewertet ist. Dennoch könnte die Kennzahl unter ihren Durchschnittswert fallen, sollte es zu einem deutlichen Wirtschaftsabschwung kommen. Unsere Hauptsorge bleiben nach wie vor die Gewinne. Die Inflation sollte das Umsatzwachstum zumindest auf nomineller Basis fördern. Die Margen verzerren diese Vorhersage jedoch: Die MSCI World forward EBIT Kennzahl (Gewinne vor Zinsen und Steuern) liegt bei 16,3 %, 100 Basispunkten über dem Höchststand vor der Pandemie und beachtliche 300 Basispunkte über dem Durchschnitt von 2003-2019. Dies steht im Einklang mit der vergangenen überschüssigen Nachfrage, die jeglichen Unternehmen von geringerer Qualität Preismacht verlieh. Die Gewinnproblematik der Unternehmen war in dieser Periode eher unternehmensspezifisch und basierte nicht auf systemischen Nachfrageproblemen. Viele der Probleme ergaben sich direkt aus den Auswirkungen der Pandemie, beispielsweise aufgrund von Lieferengpässen. Andere erschienen nachträglich, als sich die zuvorigen "COVID Helden" — die Erben der virtuellen Welt der Pandemie — wieder an die Rückkehr in den reellen Alltag anpassen mussten.
Es ist auffällig, dass die Bottom-up-Gewinnschätzungen trotz einer potentiellen Rezession, die von manchen als die am häufigsten vorhergesagte Rezession aller Zeiten beschrieben wurde, immer noch relativ robust aussehen. Die Gewinnschätzungen für den MSCI World liegen für 2023, trotz des starken US-Dollars, bei 3 % über dem Vorjahresniveau und bei 36 % über dem Niveau von 2019 vor der Pandemie. Zentralbanken und insbesondere die Fed in den USA erhöhen die Zinsen aggressiv, um die Inflation durch eine sinkende Nachfrage in den Griff zu bekommen. Es wird diskutiert, wie weit sie gehen müssen, wobei die Balance zwischen einer Verlangsamung der Wareninflation und anhaltenden Lohnerhöhungen abgewogen wird. Außerdem existieren obskure Diskussionen über die verzögerten Auswirkungen des Wohnungsssektors auf die Berechnung der US-Inflation. Wir können zu diesen Feinheiten keine Position einnehmen, da selbst die größten Wirtschaftswissenschaftler unterschiedliche Meinungen vertreten.
Der konsensorientierte Ausblick für 2023 bleibt jedoch, dass das wirtschaftliche Wachstum in den meisten westlichen Volkswirtschaften sogar bei einer erfolgreichen sanften Landung weitgehend zum Stillstand kommen wird. Die Auswirkungen der Maßnahmen der Zentralbanken sind bereits in den zinsempfindlicheren Bereichen spürbar, insbesondere innerhalb des Wohnungssektors. Die Verbraucher sehen sich aufgrund der Inflation mit einem starken Druck auf die Realeinkommen konfrontiert. Die Arbeitsmärkte sind jedoch nach wie vor belastet, da in den USA die Arbeitslosenquote weiterhin bei 3,5 % liegt, wodurch der Druck auf die Löhne und auf die Maßnahmen der Zentralbanken erhalten bleibt. Zukunftsorientierte Kennzahlen sinken, da der Großteil der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Herausforderungen für die Gewinne noch bevorstehen.
Da sich die überschüssige Nachfrage aus den Jahren 2021 und 2022 in ein überschüssiges Angebot in 2023 wandelt, wird es wahrscheinlich zu einer Gewinnrezession kommen, da Margen von ihren aktuellen Höchstständen abfallen. Der Markt wird wieder einmal feststellen, welche Unternehmen ihre Gewinne auch in schwierigen Zeiten halten können. Wir sind wie immer davon überzeugt, dass Preismacht und wiederkehrende Erträge, zwei der wichtigsten Kriterien für die Aufnahme in unsere Portfolios, erneut ihre Bedeutsamkeit unter Beweis stellen werden. Sie taten dies bereits während der Finanzkrise von 2008 und 2009 und in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu Beginn der Pandemie. Kapitalvermehrer sollten weiterhin einen konstanten Wertzuwachs erzielen. Der Silberstreif am Horizont im Kontext der schmerzhaften Abwertung in 2022 ist, dass eine Kapitalvermehrung nun zusätzlich zu einem niedrigeren Faktor eintritt. Da man bei Aktien nur auf zwei Arten Geld verlieren kann – entweder weil die Gewinne oder die Kennzahlen einbrechen –, ist das Halten eines Portfolios mit robusten Gewinnen zu angemessenen Faktoren in diesen unsicheren Zeiten ein vernünftiger Ansatz.
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Managing Director
International Equity Team
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