Einblicke
Was lange währt, wird endlich gut: Ein Argument für langfristiges Denken
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Global Equity Observer
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August 28, 2023
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August 28, 2023
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Was lange währt, wird endlich gut: Ein Argument für langfristiges Denken |
In den Industrieländern leben viele von uns in einer Sofort-Gesellschaft, in der wir jederzeit bekommen können, was wir möchten, wann wir es möchten und wie wir es möchten. Der wöchentliche Lebensmitteleinkauf ist nur einen Klick entfernt, ein neuer Partner einen Wisch nach rechts, und mit zwei Fingertipps lässt sich ein Flug ans andere Ende der Welt buchen. Diese Sofortmentalität hat in vielerlei Hinsicht enorme Vorteile: Mit ihr sparen wir Zeit, wir können mit Menschen in Kontakt bleiben und wir haben Zugang zu einer beispiellosen Menge an Informationen.
Das macht unser Leben einfacher. Es hat jedoch auch seinen Preis, wenn uns alles jederzeit und sofort zur Verfügung steht. Das menschliche Gehirn ist auf das Verlangen nach Dopamin – dem Glückshormon – vorprogrammiert. Heutzutage wird dieses Verlangen problemlos durch unsere Smartphones bedient, die von Dr. Anna Lembke, Professorin für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Stanford University, als ‚moderne Injektionsnadel bezeichnet werden, mit der wir rund um die Uhr digitales Dopamin verabreicht bekommen.’ Laut ihrer Forschungsarbeit führt die wiederholte Dosis an Dopamin über Smartphones zu einer Überbeanspruchung unseres limbischen Systems (der Teil des Gehirns, der für unsere emotionalen Reaktionen zuständig ist) und zu einer Schwächung des präfrontalen Kortex (der Teil, der für die Kontrolle von Impulsen, langfristige Planung und Willensstärke sorgt). Diese Überbeanspruchung kann Unruhe und Ungeduld nach sich ziehen. Sie kann uns außerdem von sinnvolleren Aufgaben abhalten, die Geduld und Ausdauer erfordern, etwa wenn es darum geht, ein ganzes Buch zu lesen, eine neue Fähigkeit zu erlernen oder etwa mit einer langfristigen Denkweise zu Investieren. Bei Aktienanlagen sind wir indes der Überzeugung, dass die geduldige Schildkröte langfristig das Rennen gewinnt.
Es gibt tatsächlich Nachweise, wonach die Fähigkeit, den Genuss hinauszuzögern, mit größeren langfristigen Erfolgen verbunden ist. Das vielleicht bekannteste Beispiel hierfür ist der {ut}Marshmallow-Test{ut} von Walter Mischel, bei den Kindern ein Marshmallow mit dem Hinweis gegeben wurde, dass sie ein zweites bekämen, wenn sie der Versuchung, das erste Marshmallow zu essen, eine viertel Stunde lang nicht nachgeben würden. Anschließende Studien ergaben, dass die Kinder, die mehr Willensstärke unter Beweis stellten, später mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreicher waren, d. h. bessere Ergebnisse bei Prüfungen erzielten, besser im sozialen und kognitiven Bereich abschnitten und in einer Reihe anderer Lebensbereiche mehr Erfolg hatten. 1
Im Kontext des Investierens könnte aufgeschobene Belohnung bedeuten, dem Drang zu widerstehen, sich von der Euphorie einer Marktblase mitreißen zu lassen. So machte es sich beispielsweise beim Zerplatzen der Internetblase bezahlt, wachstumsstärkere, spekulativere Aktien, die während der Anlegereuphorie von März 2000 bis Oktober 2002 einen Aufschwung erlebt hatten, zu meiden, und stattdessen Basiskonsumgüter, die deutlich zurückgeblieben waren, weiterhin übergewichtet zu haben. Der MSCI World Index verzeichnete damals einen Drawdown (Rückgang vom Höchst- zum Tiefststand) von 43%, während der defensivere Sektor der Basiskonsumgüter im gleichen Zeitraum um 17% zulegte und den Index übertraf. 2 Der derzeitige Enthusiasmus für künstliche Intelligenz stellt einige Anleger zweifelsohne erneut auf die Probe. Unsere Konzentration auf etablierte erstklassige Unternehmen mit widerstandsfähigen Erträgen und unsere Disziplin, der Versuchung nicht nachzugeben, einer kurzfristigen Marktbegeisterung nachzujagen, haben historisch zu besseren langfristigen Ergebnissen geführt.
Von Natur aus auf die "Gegenwart" fokussiert
In Anbetracht der psychologischen Neigung des Menschen ist es nur natürlich, dass er einer Kurzfristmentalität frönt. Die "Gegenwartsorientierung" ist ein weitverbreitetes Phänomen, mit dem Hang, den Schwerpunkt auf unmittelbar bevorstehende Vor- und Nachteile anstelle von künftigen Ergebnissen zu legen. So dürfte ein Verbraucher mit Gegenwartsfokus ungünstigere finanzielle Gewohnheiten, einschließlich übermäßiger Kreditaufnahmen, erhöhter Ausgaben und mangelnder Ersparnisse, aufweisen.{ut}3{ut} Ein Anleger, der hingegen einer „kurzsichtigen Verlustaversion“ zum Opfer fällt, hegt eine allzu starke Kurzfristmentalität und reagiert negativ auf jüngste Verluste, was die potenziellen langfristigen Vorteile beschneiden kann.{ut}4{ut} Für erfolgreiche langfristige Investitionen ist ein solches Verhalten kontraproduktiv, und betont, wie wichtig es ist, sich diese Verhaltenstendenzen klar vor Augen zu halten.
Wir fördern eine Langfristmentalität
In einer Welt, die alles sofort will, sind wir starke Verfechter der Willensstärke. Unserer Erfahrung nach braucht es Disziplin und Geduld, um langfristig erfolgreich zu sein. Unser fundamentaler, erstklassiger Bottom-up-Ansatz, unser langfristiger Anlagehorizont und unsere Bewertungsdisziplin erzielen seit mehr als zwei Jahrzehnten für unsere Kunden erfolgreiche Ergebnisse. Eine Langfristmentalität erfordert die Fähigkeit, jegliche instinktive "Gegenwartsorientierung" zu unterdrücken. Dies wird an unserem niedrigen Portfolioumschlag und unserem Fokus auf Unternehmen ersichtlich, die nicht nur heute hohe Renditen auf das Betriebskapital aufweisen, sondern unseres Erachtens diese hohen Renditen auch künftig aufrechterhalten können.
Lasst die Kapitalvermehrer walten
Kern unseres Ansatzes ist unsere feste Überzeugung an die Kraft des Zinseszinseffekts. Die Schwierigkeit besteht darin festzustellen, ob ein Unternehmen auch wirklich ein Kapitalvermehrer ist. Wir verlangen von den Unternehmen kein übermäßiges, sondern vielmehr ein stabiles, angemessenes Wachstum, mit dem sich über mehrere Jahre hinweg hohe Renditen generieren lassen. Ein Unternehmen, das jährlich beispielsweise um 4% wächst, durch stabile Margenverbesserungen weitere 1% hinzugewinnt und noch dazu eine rund 5% Free-Cashflow-Rendite ausweist, sollte sein Kapital mit der Zeit um nahezu 10% steigern. Die ‚72er-Regel’ deutet darauf hin, dass dies in einer Verdoppelung des Kapitals alle sieben Jahre resultiert. {ut}5{ut} Eine unserer Beteiligungen im Informationstechnologiesektor, ein weltweit führender Anbieter von Technologieberatungsdiensten, ist ein überzeugendes Beispiel für eine zuverlässige Kapitalvermehrung. Dieses Unternehmen konnte in den letzten zehn Jahren ein jährliches Wachstum des Gewinns pro Aktie (USD) von 11% erzielen. Zu verdanken ist dies einem stabilen organischen Umsatzwachstum, unterstützt durch steigende Margen und eine Kapitalallokation durch Fusionen und Übernahmen sowie Aktienrückkäufe. {ut}6{ut}
Ausschlaggebend für einen qualitativ hochwertigen Kapitalvermehrer ist ein kompetentes, langfristig denkendes Unternehmensmanagement. Die hochwertigen Unternehmen, in die wir investieren, generieren ausreichend liquide Mittel. Folglich kann - und muss unserer Ansicht nach - das Management ausreichend Mittel in Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Marketing und Innovation reinvestieren, um sicherzustellen, dass das Unternehmen relevant und widerstandsfähig bleibt. Damit wird gewährleistet, dass die Renditen anorganischer Akquisitionen attraktiver sind als die Rückgabe von Barmitteln an die Aktionäre. Wie in unserem „Kaufen oder nicht kaufen“ betitelten Global Equity Observer vom Juni 2023 betont, sind wir nach wie vor skeptisch, was die Angemessenheit von M&A zur Allokation von Aktionärskapital angeht. Dennoch finden wir gelegentlich einen dieser seltenen Sorte: gute Akquirierende.
Für uns ist letzten Endes entscheidend, dass sich das Management langfristig auf den Aufbau und die Verbesserung der immateriellen Vermögenswerte konzentrieren kann, ohne sich von kurzfristigen Ambitionen in die Irre führen zu lassen. Ein wichtiger Indikator ist die Vergütung von Führungskräften. Wir arbeiten regelmäßig mit Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen in Bezug auf deren langfristige Vergütungspläne zusammen, um sicherzustellen, dass die Incentivierung an den langfristigen Interessen der Aktionäre ausgerichtet ist. Damit sollen kurzsichtige Taktiken wie ein erhöhter Leverage durch die kurzfristige Aufnahme von viel Fremdkapital oder unkluge Akquisitionen vermieden werden.
Investiert und diszipliniert bleiben
Es ist nachgewiesen, dass langfristige Anlagen die Wahrscheinlichkeit von Geldverlusten mindern: Wenn Sie zwischen 1970 und 2023 in den MSCI World Index investiert hätten, wären 23% der Monate bei einem einjährigen Anlagehorizont negativ, während die Monate mit negativer Rendite bei einer Fünfjahresbetrachtung auf 11% und bei einer Zehnjahresbetrachtung auf lediglich 3% sinken würden (siehe Abbildung 1). {ut}7{ut} Der Versuch, die Aktienmärkte zu timen, ist ebenfalls ein Trugschluss. Erkenntnisse aus dem Research der Bank of America legen nahe, dass wenn ein Anleger in jedem Jahrzehnt seit 1930 die zehn besten Tage des S&P 500 Index verpasst hätte, würde er eine Gesamtrendite von 30% erzielen. Wäre man dagegen über alle Konjunkturzyklen hinweg investiert geblieben, hätte man eine Rendite von 17.715 % erzielt. {ut}8{ut} Bei unseren aktiv verwalteten, konzentrierten und global-orientierten Portfolios agieren wir als langfristige Eigentümer und nicht als „vorübergehende Halter“ von Aktien. Wir halten nach standfesten Kapitalvermehrern Ausschau, weshalb wir auch einen geringen jährlichen Portfolioumschlag von etwa 20% pro Jahr aufweisen. Ein Blick auf die aktuellen Positionen unserer am längsten bestehenden globalen Flaggschiff-Strategie offenbart, dass wir ein Drittel des Portfolios bereits seit über zehn Jahren halten, und etwa zwei Drittel seit mehr als fünf Jahren.
Wie wir unserer langfristigen Anlagethese treu bleiben und versuchen, kurzfristige Marktstörfaktoren zu meiden, lässt sich anhand einer unserer Beteiligungen im Softwaresektor darstellen. Das Unternehmen implementierte 2020 überraschend früh seine Ausrichtung auf die Cloud – eine Entscheidung, die der Markt zunächst nicht zu schätzen wusste und den Aktienkurs um 25% einbrechen ließ. Wir unterstützten diese strategische Entscheidung des Unternehmens, erhöhten unsere Position und hielten die Aktie trotz der Marktreaktion weiterhin als einen unserer Top-10-Werte. Unsere langfristige Positionierung hat sich seitdem bezahlt gemacht: In den vergangenen zwölf Monaten trug die Aktie des Unternehmens mit am meisten zur absoluten Performance bei. Auch bei unseren Verkaufsentscheidungen gehen wir derart diszipliniert vor. Zum Beispiel haben wir uns im letzten Jahr aus Bewertungsgründen von einem weltweit führenden Schönheitsunternehmen getrennt, nachdem die Aktie in der Hoffnung auf eine wirtschaftliche Wiedereröffnung Chinas stark gestiegen war. Unsere Analyse legte nahe, dass die Bewertung des Unternehmens den voraussichtlichen Vorteil bereits umfassend einpreiste, weshalb wir die Gelegenheit zum Ausstieg nutzten.
Was bedeutet das für uns?
Die Gesellschaft mag eher von kurzfristigen Impulsen und sofortiger Belohnung getrieben sein. Beim Investieren führt unseres Erachtens jedoch Geduld zu dauerhaften Erfolgen und auf lange Sicht zu positiven Anlageergebnissen. Seit mehr als 20 Jahren konzentriert sich der Anlageansatz unseres Teams darauf, erstklassige Kapitalvermehrer zu identifizieren und ihnen die nötige Geduld für den künftigen Erfolg zu geben. Wir prüfen die qualitativen Fundamentaldaten und die starken „Burggräben“ der Unternehmen und sind uns dessen bewusst, welche kurzfristigen Taktiken für die langfristige Vermehrung von Kapital kontraproduktiv sind. Anstatt uns den Hasen zum Vorbild zu nehmen, der versucht, den Markt kurzfristig zu schlagen, bevorzugen wir die stetig sich fortbewegende Schildkröte.
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Head of International Equity Team
International Equity Team
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Annabel Stanford
Analyst
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